Carambolage exceptionnel
Totalschaden an Rollator
Polizei sucht flüchtigen Fahrer eines Elektro-Rollstuhls
Die RNZ berichtete am 12.11.2019 von einem ungewöhnlichen Unfall im Odenwald-Städtchen Eberbach.
Die genauen Umstände und Beweggründe kenne ich nicht. Aber vielleicht hat es sich in etwa so abgespielt:
Mit so einem Schlachtschiff von E-Rolli durch die Innenstadt ist oft kein Leichtes. Hohe Bordsteinkanten, schmale Fußwege, rücksichtslos und teils auch verbotswidrig geparkte Fahrzeuge, kreuz und quer stehende Mülltonnen, Glasscherben, Hundehäufchen ... "Parcours" ist da oft treffender als "Flaniermeile". Wenn dann auf schmaleren Fußwegen auch noch Warenauslagen, Werbe- und Angebotstafeln, Tische und Stühle von Restaurants und Cafés hinzukommen ...! Es ist zum Verzweifeln! Vor mir schon wieder so ein Kleiderständer! Daneben ein schmales Gässchen ... und dann der tiefe Abgrund hinter der Bordsteinkante! Da muss man schon als Fußgänger ein schmales Persönchen sein, um dort durchzukommen, ohne Kleidchen und Röckchen mit sich zu reißen! Am anderen Ende des Gässchens ein Ömchen mit Rollator. Auch das noch! Na gut, geh DU zuerst! Die zwei Minuten kann ich auch noch warten. Was denn jetzt?! Umständlich beginnt die Dame, ihren Rollator zusammenzuklappen. Wenn sie so weitermacht, dauert das Stunden! Bis dahin bin ich da zehnmal durch! ...
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Einer der letzten milden Herbsttage. Sogar die Sonne guckt heute ab und an zwischen den Wolken hindurch. Wenn dann erst der Winter kommt, die Knochen noch mehr schmerzen, ich mich vor lauter Kleidungsschichten noch weniger bewegen kann als sonst und trotzdem nur noch friere, komme ich wieder für Wochen gar nicht mehr aus meiner Wohnung raus! Also den Tag nutzen! Wenigstens ein paar hundert Meter die Straße runter. Dort gibt es ein Café, in dem ich bei einer Tasse mit duftendem, wärmenden Kaffee etwas frische Kraft schöpfen kann, ehe ich mich wieder auf den Heimweg mache.
Die ersten Schritte sind immer die mühsamsten. Noch etwas wohnungssteif, die Finger so fest es nur geht um die Griffe des Sicherheit versprechenden Rollators geschlossen taste ich mich langsam Schritt für Schritt über den Fußweg. Nach einigen Metern geht es und gehe ICH schon etwas trittfester. Das Zwicken und Zwacken in den Gelenken lässt ein klein wenig nach. Froh, mich zu diesem Spaziergang durchgerungen zu haben, blinzele ich glücklich in das herbstlich goldene Sonnenlicht. Nun wage ich es auch, ein klein wenig forscher auszuschreiten. Doch schon wenige Meter weiter wird meinem munteren Marsch ein jähes Ende gesetzt. Vor mir die Kleiderständer einer Boutique. Der Fußweg bis fast zur Fahrbahn hin zugestellt! Da komm' ich im Leben nicht durch! Mit Schaudern schaue ich auf die hohe Bordsteinkante, mit der der Bürgersteig fast unmittelbar neben einem der Kleiderständer abschließt. Passe ich dort mit dem Rollator hindurch? Angst macht sich in mir breit. Was ist, wenn ein Rad des Rollators vom Weg abkommt und ich stürze?! Jetzt taucht hinter dem Kleiderständer auch noch ein Mann mit einem Elektro-Rollstuhl auf! Er bleibt stehen. Ist sich wohl auch unsicher, ob er dort durchpasst oder nicht. Oder möchte er mich nur zuerst durchlassen? Ein richtiger Gentleman! Wie schön! Kleinen Moment noch! Alte Frau ist schließlich kein D-Zug! In voller Breite dort hindurch - das möchte ich nicht riskieren. Aber man weiß sich ja zu helfen! Genau: hier der Griff auf der Sitzfläche! Einmal kräftig nach oben ziehen, und ...! Mit voller Kraft ziehe ich an der schmalen Nylonschlaufe. Eigentlich sollte sich der Rollator nun zusammenklappen. Aber nichts geschieht! Der Mann auf der anderen Seite wartet. Ich beginne zu schwitzen. Meine Hand zittert leicht - vor Anstrengung und vor Aufregung. Ich nehme all meine Kraft und Konzentration zusammen und ziehe noch einmal an der Schlaufe so fest ich nur kann. Da, es gibt einen Ruck! Im selben Moment ein Knall! Ich bekomme einen Stoß, gerate ins Straucheln. Der Rollator wird mir aus den Händen gerissen und fliegt an mir vorbei. Scheppernd landet er knapp hinter mir auf dem Asphalt. Die Griffe ragen wie verrenkte Hälse in verschiedene Richtungen. Eiernd dreht eines der schiefstehenden Räder seine letzte Runde, bevor es traurig zum Stehen kommt. Ich kann mich gerade noch auf den Beinen halten, entkomme nur knapp einem Sturz. "stürzen" - eine Angst, die mit einer alten gebrechlichen Frau wie mir schon untrennbar verwoben. Bei zu vielen Freundinnen habe ich es schon erlebt, dass sie nach einem Sturz nie wieder richtig auf die Beine gekommen sind. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. In meinem Bauch kribbelnde Leere. In einigen Metern Entfernung sehe ich nur noch die Rücklichter eines Elektrorollstuhls. Wohl doch kein Gentleman. Schade!
Laut Pressebericht wollten zunächst beide Beteiligten den jeweils anderen zuerst passieren lassen. Die Dame mit dem Rollator versuchte daraufhin, ihren Rollator zusammenzuklappen. Als der Rollstuhlfahrer sah, dass die Passantin auf der anderen Seite des im Weg stehenden Kleiderständers noch etwas Zeit brauchen würde, berschloss er, als Erster das Hindernis zu umrunden. Dabei rammte er mit seinem Rollstuhl den Rollator der alten Dame. Es entstand ein Sachschaden von geschätzt 300€. Der Rollstuhlfahrer schien den Unfall entweder nicht bemerkt oder lieber das Weite gesucht zu haben. Jedenfalls setzte er seinen Weg unbeirrt fort und ließ die 86-Jährige mit ihrem demolierten Rollator allein zurück.