Vorhin war ich beim Briefkasten und habe auf dem Rückweg die Abkürzung durch den kleinen Park hinter unserem Haus genommen. Dort ist es momentan wunderbar ruhig. Dabei sind es gar nicht so viel weniger Leute, die draußen unterwegs sind. Ein paar schon. Aber vor allem ist in der Mitte des Parks der Spielplatz zur Zeit gesperrt. Das heißt, um das eine Klettergerüst und die alte klapprige Wippe ist ein Flatterband gebunden, das nun Tag und Nacht laut im Wind vor sich hinknattert und allen zuruft "Corona, Corona!" Und da es so am besten geht oder weil man es als Einheit betrachtet hat, sind auch die paar Bänke nun Teil der Sperrzone.
Gleichzeitig ist das Einkaufszentrum in unmittelbarer Nachbarschaft zur Zeit geschlossen und somit die Grünanlagen drumherum, wo man sonst kaum treten kann vor Menschenmassen und Autos, deren Fahrer auf verzweifelter Parkplatzsuche mit verkniffenen Gesichtern mit ihren Nasen fast an die Frontscheiben stoßen, nahezu verwaist. Das heißt: sie wären es, wenn nun nicht, ihrer eigenen Bänke beraubt, fast die gesamte Anwohnerschaft unseres Blockes mit Kind und Kegel zu diesen Grünflächen pilgern und sie in Beschlag nehmen würde. Für die Rudel von Konsumgierigen, die dort normalerweise entlanghetzen oder auch mal für einige Minuten auf einer der Bänke Platz nehmen, um sich eine kleine Stärkung in Form von Pommes rot-weiß oder Burger Mac irgendwas einzuverleiben, sind diese Grünanlagen in ihrer Größe sehr knapp bemessen. Für die vergleichsweise wenigen Menschlein aus unserer Wohnanlage sind es paradiesische Weiten. Bis fast zum stark verdichteten und mit unzähligen Zigarettenkippen durchsetzten Boden abgesenster Rasen soweit das Auge blicket! Und hier und da sogar ein paar Bäumchen, Ziersträucher ... Und schließlich das zentrale Element aller Begierde: Parkbänke aller Art! Parkbänke aus Holz, Parkbänke aus Metall, Parkbänke in blau, grün oder neutralem Grau, neue und alte, schmuddligere und weniger schmuddlige, mit Abfallkorb in Reichweite oder ohne. Es gibt Schatten- und Sonnenplätze, abgeschiedener stehende und solche, die mehr Gesellschaft durch Banknachbarn versprechen. Auf Abstand selbstverständlich!
Und genau dorthin verteilen sich jetzt die 40, 50 oder auch mal 60 Menschlein, brav gruppiert und unterteilt in Familien und nach Haushalten, die sich sonst auf den wenigen Quadratmetern direkt hinter unserem Haus tummeln, auch dort vielleicht nicht wie die Sardinen in der Dose aber, um bei Dosenfutter zu bleiben, vielleicht wie die paar Fleischklopse, die man so in der einen oder anderen DosenSUPPE findet. Während es nun, unter den neuen Bedingungen, vergleichsweise eher so zugeht, als hätte man diese eine Dose mit Klöpschensuppe in eine bis zum Rande mit Wasser oder Brühe gefüllte Badewanne gekippt.
Für den Park vor unserer Tür bedeutet dies vor allem: Ruhe. Auch hier lassen sich einige Familien oder ab und an auch ein paar einzelne Leute mit einem Buch oder einer Zeitschrift nieder, hin und wieder ein Mädel, vielleicht so 15, schlank und sportlich mit langen blonden Haaren, das den nun deutlich freieren Rasen nutzt, um ihre zwei Kaninchen zu weiden - ein weißes und schwarzes. Einzelne Familien spielen hin und wieder zu dritt, zu viert oder zu fünft Fußball oder Frisbee. Deutlich mehr Jogger, Radfahrer, Leute auf Inlineskatern und anderen beräderten Gerätschaften sind unterwegs. Freundinnen sitzen mit diesem so künstlich erscheinenden und schon allein beim Anblick Unwohlsein hervorrufenden Sicherheitsabstand von ein, zwei Metern aber sonst sehr zufrieden wirkend auf dem Rasen und führen, teils über Stunden, Gespräche in trauter Zweisamkeit, wo man sonst fast ausschließlich größere Gruppen sieht, in denen meistens alle durcheinander zu schnattern scheinen, meistens augenscheinlich auch mit viel Spass - aber eben eine ganz andere Welt als die, die sich hier aktuell zeigt.
Und genau diese Welt durchschritt ich vorhin, nachdem ich meine Briefe zum Kasten gebracht hatte. Nachdem ich von der Straße auf den schmalen, mit kleinen Kieseln bestreuten Weg abgebogen bin, bin ich erst einmal beinahe über zwei Nilgänse gestolpert, die nun, als wäre nichts selbstverständlicher auf der Welt, die Rasenpflege übernommen zu haben scheinen. Normalerweise geht es selbst den Gänsen zu turbulent bei uns zu. Sie haben schon vor Jahren die Flucht ergriffen.
Ein paar Meter weiter in einem noch fast kahlen Baum, nur um die zwei Meter über dem Boden: eine brütende Ringeltaube in ihrem Nest! Und das hier bei uns, wo sich sonst alles in
akuter Lebensgefahr befindet, was so kreucht und fleucht und weniger wehrhaft als ein Sebelzahntiger ist! Erstaunt blicke ich zu ihr hinauf. Vollkommen ruhig blickt sie zu mir zurück.
Seltsam, diese andere Welt.
Hier ein AUGENBLICK (im wahrsten Sinne des Wortes), in dem das vogeltypische „zweite Augenlid“ zu sehen ist.
Diese sogenannte NICKHAUT ist je nach Vogelart mehr oder weniger transparent. Während das richtige Lid, das bei einigen Vogelarten - wie bei uns Menschen - von oben nach unten, bei anderen aber
auch von unten nach oben geschlossen wird, vor mechanischen Gefahren schützt
und z.B. beim Putzen geschlossen wird, breitet sich die Nickhaut seitlich, vom inneren Augenwinkel aus kommend, über den Augapfel. Dabei benetzt sie das Auge mit einem Sekret aus der
Nickhautdrüse, das die Augen feucht hält und auch einen reinigenden Effekt hat.